Das Industrial Internet of Things (IIoT) gilt als wesentlicher Baustein der digitalen Transformation der Industrie. Unternehmen wollten mit vernetzten Maschinen, Sensoren und Datenanalysen ihre Produktion optimieren und Abläufe effizienter gestalten. Gleichzeitig planten Betriebe neue Geschäftsmodelle und digitale Services zu entwickeln, um zusätzliche Umsatzpotenziale zu erschließen und ihre Marktposition langfristig zu sichern.
Heute zeigt sich: In der Praxis stehen vor allem Effizienzsteigerung, Automatisierung und Kostensenkung im Vordergrund. Der ursprünglich angestrebte Sprung zu neuen Geschäftsmodellen bleibt bisher meist aus. Warum gelingt der große Durchbruch bisher nicht?
Die Studie Industrial IoT 2025 wurde von den Fachmagazinen CIO, CSO und COMPUTERWOCHE, in Zusammenarbeit mit A1 Digital und Avanade 2024 durchgeführt und 2025 veröffentlicht. Grundlage der Untersuchung sind die Antworten von 315 befragten (IT-)Verantwortlichen, Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus der Industrie, dem IT-Sektor und dem Produktionsumfeld.
Ziel der Studie ist, eine umfassende Bestandsaufnahme zum aktuellen Stand von Projekten im Bereich des Industrial Internet of Things zu liefern. Das Projekt untersuchte, wie weit Unternehmen bei der Einführung von IIoT-Lösungen bereits sind und welche Herausforderungen sie dabei bewältigen müssen.
Von den befragten Unternehmen wenden 53 Prozent das Industrial Internet of Things (IIoT) bereits an. Der Umsetzungsstatus ist allerdings noch ausbaufähig: Nur neun Prozent haben ihre IIoT-Projekte bislang breit im Unternehmen ausgerollt. Viele befinden sich noch in frühen Phasen wie der Strategieentwicklung, ersten Pilotprojekten oder einzelnen Anwendungsfällen.
Die zentralen Unternehmensziele von IIoT-Initiativen sind eindeutig: Unternehmen wollen vor allem ihre Produktivität steigern (44 Prozent) und die Betriebskosten senken (41 Prozent).
Verantwortlich für die Planung und Umsetzung sind vor allem die IT-Abteilungen: 60 Prozent der Firmen sehen die IT klar in der Pflicht, während der Produktions- und Fertigungsbereich (OT) mit sieben Prozent seltener eingebunden ist.
Rund 13 Prozent der Unternehmen (hauptsächlich größere Unternehmen) nannten ebenfalls neue digitale Geschäftsmodelle als Ziel. Dazu zählen neue Umsatzquellen wie Pay-per-Use-Ansätze oder Product-as-a-Service. Der Blick auf die Realität zeigt: Das Ziel erreichten weniger als 20 Prozent der Unternehmen.
In der Praxis dominieren klassische Ziele wie Prozessoptimierung, Produktivitätssteigerung oder Predictive Maintenance. So konnten 57 Prozent der Unternehmen ihre Produktionseffizienz verbessern, 41 Prozent die Produktqualität steigern und rund ein Drittel ihre Wartungskosten und den Energieverbrauch senken.
Fehlt es für neue digitale Geschäftsmodelle noch an der passenden Technologie und Infrastruktur, oder hemmt ein defensives Mindset im Unternehmen die Entwicklung?
Dabei wächst das Industrial Internet of Things weltweit rasant: Laut einem Statista Insights-Bericht soll der Umsatz 2025 im IIoT-Markt voraussichtlich rund 251 Mrd. € betragen und 2029 etwa 414 Mrd. €, ein erwartetes jährliches Wachstum von knapp 13 Prozent.
In Deutschland wird eine ähnlich positive Entwicklung erwartet: Für das Jahr 2025 wird ein Umsatz von rund acht Mrd. € prognostiziert. Im Vergleich würde Deutschland somit den drittstärksten Umsatz im IIoT-Markt erreichen. Dieser könnte bis 2029 jährlich um etwa zehn Prozent wachsen und ein Marktvolumen von über 11 Mrd. € erreichen.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland ein starker Markt für Industrial IoT. Das Potenzial ist da, Unternehmen setzen es aber noch nicht konsequent um. Förderprogramme wie der Investitions-Booster der deutschen Bundesregierung könnten Anreize für mehr Wachstum sein. Der Booster soll Investitionen in neu angeschaffte Maschinen und Geräte steuerlich fördern und schneller ermöglichen.
Viele Unternehmen wollten neben höherer Effizienz neue digitale Services entwickeln, Pay-per-Use-Modelle umsetzen und neue Umsatzquellen erschließen. Doch in der Realität wird IIoT wird fast ausschließlich für klassische Effizienzziele genutzt. Worin liegen nun die Ursachen zwischen erhofften und erreichten Zielen?
Bei den realen Anwendungsfeldern dominieren klare, operative Felder: die Überwachung von Produktionswegen und Maschinen, die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), die Optimierung des Ressourcenverbrauchs und die intelligente Fertigung. Dahinter steht das Ziel, die Produktion und Fertigung flexibler, effizienter und robuster zu machen. Das entspricht auch den Hauptzielen der Unternehmen aus der Studie.
Hier liegt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Neue Geschäftsmodelle sind in der Praxis kein eigenständiges Anwendungsfeld des IIoT. Die Erwartung, dass IIoT automatisch neue digitale Services oder Pay-per-Use-Modelle schafft, führt daher in vielen Unternehmen zu Enttäuschung. Dafür fehlen die strukturellen Voraussetzungen.
Auffällig: Die vorausschauende Wartung oder Predictive Maintenance ist theoretisch und praktisch ein zentrales Einsatzfeld de Industrial IoT. Rund 23 Prozent der Unternehmen nennen Predictive Maintenance als primäres Ziel, konnten aber keine weiteren messbaren Vorteile erreichen. Haben Unternehmen hier möglicherweise das volle Potenzial bereits erreicht?
Eine Herausforderung in Unternehmen sind die mangelnden internen Umsetzungskompetenzen, besonders im Mittelstand. Die Studie zeigt: 75 Prozent der Unternehmen nutzen einen externen Berater für ihr IIoT-Konzept, obwohl sie sich selbst als kompetent einschätzen. Viele Unternehmen fühlen sich in der Praxis unsicher, wenn es um Strategieentwicklung, Umsetzung und skalierbare Lösungen geht. Ohne interne Fachkenntnisse bleiben neue Geschäftsmodelle Theorie.
Rund 41 Prozent der Unternehmen nennen den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern als größte Hürde für ihre IIoT-Projekte. Viele IT-Mitarbeitende haben nur begrenztes Wissen über OT-Systeme. Es fehlt an übergreifendem Know-how, das die Brücke zwischen beiden Bereichen schlägt.
Im OT-Bereich gehen zudem viele erfahrene Fachkräfte in den Ruhestand. In der Folge entstehen Kompetenzlücken, weil wertvolles Praxiswissen verloren geht oder nicht ausreichend an die nächste Generation weitergegeben wird. Gleichzeitig fehlt es an Nachwuchs: Unternehmen kämpfen damit, neue Talente für die Arbeit an OT-Systemen zu gewinnen.
In den meisten Unternehmen liegt die IIoT-Verantwortung fast ausschließlich bei der IT-Abteilung. Der Produktionsbereich bzw. Operational Technology (OT) wird nur von etwa 7 Prozent der Unternehmen in die IoT-Strategie einbezogen. In vielen Unternehmen herrscht immer noch eine klare Trennung zwischen IT und OT, statt einer echten IT/OT-Konvergenz. Das bremst die Umsetzung, für innovative Anwendungsfälle. Dabei ist IIoT dafür verantwortlich, Daten aus der OT in die IT zu übertragen und macht Produktionsdaten zugänglich, analysierbar und verwertbar.
Nur wenige Unternehmen bestimmen zu Projektbeginn messbare Ziele und Kennzahlen. 22 Prozent der befragten Unternehmen definieren klare Ziele und KPIs für die eigene IIoT-Implementierung. Ohne konkrete KPIs bleiben Industrial IoT-Projekte oft auf Pilotniveau stecken.
Rund 56 Prozent der Unternehmen betreiben mehrere IIoT-Plattformen parallel, statt eine einheitliche und skalierbare Technologie zu verwenden. In der Praxis fehlt es an offenen, interoperablen Architekturen, die Daten vernetzen und eine Skalierung ermöglichen. Ohne eine solche technologische Grundlage bleibt auch der Schritt zu neuen digitalen Services schwierig.
Hohe Investitionskosten und fehlende, bundesweite IIoT-Förderprogramme hemmen schnelle Fortschritte. Das trifft besonders mittelständische Unternehmen, die das Potenzial von Industrial IoT erkennen, aber nicht schnell genug heben können.
Jetzt zeigt sich, dass die Politik erste Schritte unternimmt, um diese Lücke zu schließen: Mit dem Investitions-Booster der Bundesregierung steht ein konkretes Förderinstrument bereit, das Unternehmen steuerlich entlastet und Investitionen in moderne Maschinen, Sensorik und smarte Produktionstechnik erleichtern soll.
Viele Unternehmen bleiben mit ihren IIoT-Initiativen hinter den Erwartungen zurück, weil Organisation, Kultur und Strategie oft nicht zusammenpassen. Wer aus Pilotprojekten echten Mehrwert ziehen will, muss an entscheidenden Hebeln ansetzen:
In der Praxis liegt die Hauptverantwortung für IIoT-Projekte meist bei der IT. Die Produktion (OT) wird oft erst spät oder gar nicht einbezogen. Das bremst Innovationspotenzial und erhöht Reibungsverluste. Besser: OT von Anfang an in die Projektplanung einbinden. So werden reale Produktionsbedingungen früh berücksichtigt und Praxistauglichkeit sichergestellt.
IIoT betrifft das gesamte Geschäftsmodell. Crossfunktionale Teams aus IT, OT und Business sorgen dafür, dass technisches Know-how, Prozessverständnis und betriebswirtschaftliche Sicht Hand in Hand gehen. So werden Silos aufgebrochen und die Umsetzung wird messbar schneller.
Neue Technologien erfordern neue Fähigkeiten. Laut Studie setzen 58 Prozent der Firmen bereits auf Schulungen und Trainings. Wer IIoT skalieren will, muss dieses Engagement dauerhaft sichern: Mit gezielten Fortbildungen, Zertifizierungen und Lernbudgets wächst das Know-how im Unternehmen und Abhängigkeiten von externen Dienstleistern sinken.
Fast drei Viertel der Firmen beginnen mit Pilotprojekten, doch nur 22 Prozent definieren messbare Ziele und KPIs. Konkrete Kennzahlen sind der Schlüssel für skalierbare Roll-outs.
Viele Unternehmen betreiben mehrere, nicht verbundene IIoT-Plattformen parallel. Das führt zu Insellösungen und Datenbrüchen. Eine offene, interoperable und skalierbare Plattformarchitektur ist dagegen die Basis, um neue Anwendungen schnell auszurollen, Daten sicher zu teilen und Partner einfach anzubinden.
Technisch fühlen sich viele Firmen bei der IT/OT-Konvergenz gut aufgestellt, kulturell aber oft nicht. Doch nur, wenn beide Bereiche eng zusammenarbeiten, entstehen tragfähige Lösungen. Gemeinsame Workshops, geteilte Verantwortung und regelmäßiger Austausch schaffen Vertrauen, Akzeptanz und ein gemeinsames Zielbild.
Das Industrial Internet of Things bietet enormes Potenzial, doch Technologie allein reicht nicht aus. Erst wenn Technik, Organisation und Unternehmenskultur konsequent zusammenspielen, können Unternehmen Roll-outs effizient umsetzen, Produktionsprozesse optimieren und möglicherweise neue Geschäftsmodelle entwickeln. Wer heute in klare Strategien, starke Teams und skalierbare Plattformen investiert, sichert sich den Vorsprung für morgen.